Jährliches Archiv:2021

Richard Nell – The God King’s Legacy

Flintlock Fantasy, also Fantasy die in irgendeiner Form die Waffengattung des Steinschlosses, mal mit, mal ohne Magie, beeinhaltet, ist ein kleines, aber feines Subgenre. Bekanntester Vertreter dürften die Powder Mage/Gods of Blood and Powder Reihen von Brian McClellan sein.
Hier möchte ich zwei Novellas (zusammengefasst als The God King’s Legacy) von Richard Nell vorstellen. Richard Nell gehört zu der immer größer werdenden Riege der sogenannten Independents, die die ihre Bücher ohne Verlag im Hintergrund veröffentlichen. Dies heißt (leider) in der Regel dass die eBooks Amazon exklusiv sind, also ohne “Tricks” bekommt man sie leider nicht auf Tolinos, Kobos etc. Für die Autoren ohne Verlag ist der Weg über Amazon anscheinend konkurrenzlos: Im englischsprachigen Raum fast konkurrenzlos, ein extrem einfaches Inerface, Abrechnung/Abführung der Steuer übernimmt Amazon, Veröffentlichung in mehreren Ländern etc. Oft lohnt es sich aber auch die betreffenden Autoren persönlich anzuschreiben, oft lässt sich dann auch ein anderer Weg finden.
Auf Richard Nell wurde ich durch seine eindrucksvollen Ash and Sand-Bücher aufmerksam. Eigentlich wollte ich zuerst hiervon ein Review veröffentlichen, aber die Bücher brodeln und gären noch in mir, ich muss sie noch etwas sacken lassen. Deswegen reviewe als Schmankerl zwischendurch diesen kleinen Sammelband.

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John Gwynne – The Shadow of the Gods (Bloodsworn Saga 1)

“The year 297 of Friðaröld, The Age of Peace”

 

..so der erste Satz in Shadow of Gods von John Gwynne. Eine erste Vorahnung macht sich breit, die nächsten Seiten bestätigen diese:  “Och nööö”. Nachdem ich mich erst im Dezember/Januar durch die First Law Trilogie, die zugehörigen Romane und Kurzgeschichten, sowie The Age of Madness von Joe Abercrombie mit viel Freude gearbeitet, sowie mich dann noch in Assassin’s Creed Valhalla vertieft habe….da hatte und habe ich ersteinmal genug von allem was mit Wikinger, Nordmänner, Langhäusern, Drachenbooten zu tun hat.
Also ein eher missmutiger Einstieg in die  Bloodsworn Saga, aber zum Glück war mein Vertrauen in die Fähigkeiten des Autors dann doch stark genug um mich zum Weiterlesen zu bewegen.

Das Setting, mitsamt der Sprachen, des Gesellschaftssystems und der Götterwelt lehnt sich dann auch stark an die nordischen Vorbilder aus Realität und Mythos an, aber entfernt sich dabei weit genug von diesen, so dass es sich nicht wie ein DejaVu anfühlt.
Die Welt, genauer Vigrið,  von Shadow of the Gods befindet sich in dem “Age of Peace”, die Zeit nach der großen Schlacht in der die alten Götter fielen und die Welt erneuert wurde. (Siehe auch: Raganrök ) Doch diese Götter haben deutliche, teilweise physische Spuren in der Welt hinterlassen und sind mehr als nur Erzählungen und Mythen einer vergangenen Zeit.  Die Spuren, die die Götter in den Menschen hinterlassen haben, die phantastischen , aber realen, vaesen, wie zum Beispiel Trolle oder die zähnefressenden (!) tennúr und die “nordischen” Gesellschaftsstruktur rührt Gwynne zu einer interessanten Mischung zusammen. So existiert beispielsweise eine ganze Stadt in dem Schädel eines toten Gottes. Für mich ist die Welt, zumindest im ersten Band, der Star von The Shadow of the Gods.

Generell bedient sich der erste Band (der Zweite erscheint wohl bereits 2022, der Dritte vermutlich 2023) dem bewährten Mittel der Multiperspektivität: Erzählt wird aus Sicht der  Söldnerin Elvar, der Bäuerin Orka, und dem entlaufenen unfreien Knecht (Thrall) Varg, deren Wege sich erst zum Schluss teilweise kreuzen. Wem das jetzt etwas dröge klingt, dem sei versichert: Hinter jedem Charakter steckt wesentlich mehr, mysteröse Vorgeschichten und zu Beginn noch unbekannte Hintergründe und Eigenschaften entblättern sich im Verlauf des Buches.
Die Charaktere sind an sich nicht uninteressant, aber mich holen sie nicht ab. Ich fühle mich ihnen nicht verbunden, mich interessiert ihr Schicksal nur im Sinne der Gesamtgeschichte, ihre eigenen Schicksale lassen mich fast vollständig kalt. Es werden auch einige Begleitcharaktere eingeführt, aber sie umweht meistens das G’schmäckle von Redshirts und/oder Statisten, nur da um den drei Protagonisten für die Charakterzeichnung eine Reflektionsfläche zu geben. Wer Angst vor zerschmetternde Abgänge von liebgewonnenen Personen hat kann übrigens ruhigen Gewissens zugreifen. Alles safe!

Viele Reviewer bemängelten, dass das Buch zu gemächlich und langsam in die Puschen kommen würde. Die Handlung überschlägt sich tatsächlich im ersten Drittel nicht gerade, aber mich hat dies Aufgrund des in dieser Zeit stattfindenden Worldbuildings überhaupt nicht gestört. Im letzten Drittel gibt es deutlich mehr Action und endet mit guten, wenn auch teilweise vorhersehbaren, offenen Enden.
Sprachlich ist das Buch meist kurz, prägnant und auf den Punkt; es liest sich wunderbar rund und flüssig. Die Erzählung ist durchsetzt mit altnordischen (??) Begriffen, Phrasen und Aussprüchen, welche aber nicht übersetzt werden –  der Kontext muss aussreichen; auch ein Glossar fehlt leider.

Cover:
Joa, ein gigantischer Drache, welcher einem Krieger oder einer Kriegerin gegen übersteht. Kommt schon irgendwie ein bisschen so vor, aber nicht so wirklich. Auch das Erscheinungsbild des Drachens passt nicht so ganz:

Hardcover. Orbit, UK.

Hardcover. Orbit, UK.

The dragon’s body was thin and emaciated, ribs stark through pallid scales, almost white and translucent with dark patches of rot and weeping yellow pus. Her jaws were wide and razored with teeth longer than spears, pale horns rowed and curling upon her head.

Die Mitglieder des Ordens der hölzernen Klischeekeule werden zwar nicht jubilieren und jauchzen, aber doch anerkennd nicken.
Angesichts der doch recht gelungenen Cover von The Faithful and the Fallen und Of Blood and Bone für mich ein Rückschritt in Richtung Effekthascherei.
Als Analogie des einzelnen Menschen, der einem scheinbar unüberwindbaren Gegner in Form von Göttern, Gesellschaft und Geschichte gegenüber steht, funktioniert es allerdings.

Fazit:
Für Fans von High Fantasy nach Gemmelscher Bauart ist dies Buch eine deutliche Empfehlung. Mark Lawrence hat es in seinem Review bei Goodreads gut zum Ausdruck gebracht.

John Gwynne is very definitely the closest we have to an inheritor of David Gemmell’s mantle as master of heroic fantasy with grit and heart.

Dies lässt sich auch in Bezug auf die anderen Reihen des Autors sagen, auch dort hatte ich viel zu meckern. Aber nichtsdestotrotz lese ich John Gwynne sehr gerne. Es ist fast schon entspannend und verspricht 2-3 Abende solide Fantasyunterhaltung. Den Hauptabzug gibt es für die (noch) schwachen Charaktere. Ich bin gespannt ob Gwynne sich hier noch steigern kann.

Wertung: 6.5/10

Joe Abercrombie – The Wisdom of Crowds UK & US Cover

US Cover

UK Cover

Nachdem ich bis auf Best Served Cold (~2010 gelesen) um Joe Abercrombie lange Zeit aus nicht mehr rekonstruierbaren Gründen einen Bogen gemacht habe, habe ich seit letztem Dezember alle verfügbaren Romane, Novellen und Kurzgeschichten nachgeholt.
Und, ich bin schon ein bißchen Fan.
Deshalb bin ich sehr gespannt auf The Wisdom of Crowds, den letzten Band der The Age of Madness Reihe, welcher am 16. September 2021 erscheinen wird.

Mittlerweile steht sowohl das US, als auch das UK Cover fest.
Abercrombie, bzw sein Verlag Orbit, haben immer ein Händchen für zumindest ordentliche Cover gehabt, die Reihen First Law & Shattered Sea haben gehören zu den Reihen mit der besten Covergestaltung die ich kenne. Über die deutschen Ausgaben hüllen wir dagegen besser den Mantel des Schweigens.