Harcover UK, TOR. |
Dieses Buch stand für sehr lange Zeit nicht nur auf meiner Leseliste, sondern auch auf meinem überquellenden Regal für noch zu lesende Neuzugänge. Dies war, wie sich mittlerweile herausgestellt hat, eine kaum zu verzeihende Sünde. Was mich letzten Endes dazu bewogen hat, es doch noch in die Hand zu nehmen bzw. es an den Anfang der Warteschlange zu stellen, war Newtons äußerst lesenswertes Blog, insbesondere ein Beitrag zum Thema Whisky.
Nights of Villjamur ist Newtons (Quasi) Debüt aus dem Jahre 2009, und es steckt, so viel muß hier schon verraten werden, andere hochgelobte Debüt der vergangenen Jahre, wie Brent Weeks’ The Night Angel Trilogy, meiner Meinung nach leicht in die Tasche.
Rahmenhandlung: Das Jamur Imperium befindet sich Griff eines entfesselten Winters, der aber selbst nur der Vorbote einer prophezeiten Eiszeit ist, die etwa vierzig Jahre andauern wird. Ausreichende Vorräte, sowohl an Nahrung, als auch an Wärme, sind auf Dauer nur in den Städten zu finden. Und die Haupt- und Residenzstadt des Imperiums, Villjamur, ein Jahrtausende alter Moloch, ist folglich das Ziel der meisten Flüchtlinge.
Und hier in Villjamur spielt nicht nur der Großteil der Handlung, hier hat Newton auch seinen heimlichen, eigentlichen Protagonisten gefunden. Die Stadt geht einerseits ihren gewohnten Weg, die legalen, als auch die zwielichtigen Geschäfte lassen sich in ihrem Treiben von der anstehenden Eiszeit nicht stören, die einzelnen Fraktionen ziehen im Machtgleichgewicht der Stadt im Hintergrund ihre Fäden, und die Inquistion versucht ihren Aufgaben als Kriminalpolizei gerecht zu werden.
UK Paperback, Pan Macmillan |
Andererseits sehen sich die Mächtigen, nämlich Kaiser und der Rat, dem Problem der Flüchtlingsmassen, die bereits vor den Toren der Stadt lagern, ausgesetzt. Neben dem Tod des alten Kaisers sorgt die Frage nach der Lösung des Flüchtlingsproblems für große Unruhe, und sie zieht eine Spur der aus Machthunger geborenen Zwietracht hinter sich her.
Die Geschichte wird in ca. 4 Hauptplots, sowie in zahlreichen Nebenplots erzählt, die sich teilweise, aber nicht alle, kreuzen und beeinflussen. Qualitativ spielen diese Plots zwischen den Polen “Innovativ” und “Klischeehaft”. So ist der Plot der den Schritten und Gedanken des Inquisitors Jeryd folgt fast schon ein kleiner Detektivroman, der des Aufsteigers Randur dagegen aber etwas zu glatt und einförmig. Was mir sehr gut gefällt, von anderen Rezensenten aber kritisiert wurde, sind die in manchen Plots sehr häufig anzutreffenden inneren Monologe, die für mich manche Charaktere erst interessant machen.
Doch die wahre Stärke von Nights of Villjamur liegt meiner Meinung nach in Newtons Worldbuilding. Die Stadt,und die Weise wie das Jamur Imperium aufgebaut sind steckt voller interessanter Details die teilweise nur in Nebensätzen gestreift, und gar nicht weiter erläutert werden, teilweise aber im weiteren Verlauf wieder Verwendung finden, und so langsam an Detailtiefe gewinnen. Ich bin mir nicht sicher ob eine Elaboration dieser Kleinigkeiten das Buch verstopft, oder noch mehr zu epischer Breite verholfen hätte.
US Ppbck. & Hrdc, Spectra. |
Rassen und Fraktionen Newton streut sparsam und mit Bedacht: Die Stadt teilen sich in erster Linie Menschen und “Rumel”, eine humanoide Rasse mit der etwa dreifachen Lebensdauer von Menschen; die Menschen stellen zwar den Kaiser und den Rat, aber zur Wahrung des inneren Friedens stellen die Rumel die oberen Ränge der Inquisition, die die Aufgabe der Strafverfolgung wahrnimmt. Leider verzichtet Newton auf eine etwas genauere Beschreibung der Rumel, man erfährt dass sie etwas größer als Menschen werden, dass sie einen Schwanz haben, und dass ihr Körper eine grau/braun/dunkle Färbung hat. Aber weder ich, noch andere Rezensenten sind uns sicher, ob man sie sich ehr glatthäutig, behaart oder vielleicht auch reptilienartig vorzustellen hat. Ohne die genaue Beschreibung drängte sich mir beim Lesen immer wieder das Bild von großen, robusteren und behaarten Elben mit Schwanz auf, was doch recht albern ist. Andere Kreaturen die Newtons Welt bevölkern sind beispielsweise die Garudas, vogelartige Wesen, etwas kleiner als die Menschen, die in eigenen Gemeinschaften leben, teilweise aber im Dienst des Imperiums als Kundschafter arbeiten. Auch gibt es in Villjamur Banshees, eine Art Klageweiber die in eigenen Gemeinschaften leben, und die, wie ihre mythologischen Vorbilder, kurz vor oder während eines Todes, von einer Intuition gelenkt am entsprechenden Ort auftauchen und ihren Gesang ertönen lassen. Die Interessanteste Neuerung die Newton einführt sie die Kultisten: Sie sind am besten als eine Mischung aus Ingenieur, Alchemist und Zauberer beschrieben: Siebenutzen, kopieren und erweitern die von einer untergegangenen Zivilisation überlieferten Relikte, um mit ihnen etwas ähnliches wie Magie auszuführen, allerdings ohne genau zu verstehen, wie genau & warum sie funktionieren. Die Kultisten sind in verschiedenen Sekten und Gruppen unterteilt, und haben eine eigene, chaotische Gesellschaftsordnung mit den Köpfen der großen Sekten an der Spitze, und kleinen Taschenspielern und Magiejunkies (!) als Bodensatz.
Sprachlich ist Nights of Villjamur in einem sehr angenehmen, flüssigen Stil geschrieben, wie er in der Fantasy nicht oft zu finden ist. Flüche und Vulgärsprache werden nur selten verwendet, insofern bildet er einen schönen Gegensatz zum derzeitigen “Trend”, bei dem gerne mit viel Gewalt und Sex gearbeitet wird.
Cover:
Das UK Hardcover ist meiner Einschätzung nach ideal, da es die Stadt, und nicht Personen in den Mittelpunkt stellt. Das UK Paperback ist im Verhältnis dazu eine regelrechte Katastrophe, der junge Herr auf dem Cover soll wohl Randur darstellen, welcher aber beileibe nicht der Protagonist ist. Die US Cover bewegen sich im Mittelmaß, ich weiß nicht welche Situation das Cover darstellen soll ?
Fazit:
Nights of Villjamur ist ehr was für Fans von Mieville oder auch Tad Williams, als für Anhänger der brutal-realistischen Werke von Abercrombie, Morgan & Co. Ein außergewöhnliches Debüt, mit vielen schönen kleinen Details, dicht gepackter Atmosphäre, wenig Klischees, über weite Strecken glaubhaften Charakteren, und vielschichtiger Plotstruktur. Ich lese derzeit bereits die Fortsetzung City of Ruins, und kann bisher nicht den geringsten Abfall feststellen, im Gegenteil !
Wertung: 7.5/10